Das erste Jahr des Übergangszeitraums des CO2 Grenzausgleichs der EU verlief holprig. So klagen berichtspflichtige Unternehmen über hohen Aufwand und praxisferne Umsetzungsregeln. Aus den Unternehmen identifizieren wir 5 Arbeitsfelder für eine pragmatische Ausgestaltung der CBAM Regeln ab 2026.
Holprige Startphase
Genau vor einem Jahr am 1. Oktober 2023 startete der EU Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM). Seitdem fallen Importe CO2-intensiver Waren aus Eisen & Stahl, Aluminium, Düngemitteln, Zement, Wasserstroff und auch Elektrizität unter die Berichtspflichten.
In 2026 soll dann auch eine CO2-basierte Abgabe eingeführt werden. Der Übergangszeitraum bis dahin gilt als Testphase. Diese gibt den betroffenen Unternehmen aber auch beteiligten Behörden Zeit zur Vorbereitung.
Über 100.000 Industrieunternehmen fallen derzeit unter die Berichtspflichten, vor allem aus der Metall-, Energie-, Chemie- und Bau-Branche. Diese klagen über hohen bürokratischen Aufwand und praxisferne Umsetzungsregeln.
Industrieverbände kritisieren Umsetzungsschwierigkeiten. In öffentlichen Stellungnahmen hatten sowohl die Internationale Handelskammer als auch die DIHK mit dem BDI diverse Nachbesserungen gefordert.
Aller Anfang ist schwer. Auch die Einführung des EU Emissionshandelssystems (ETS) in 2005 war von Startschwierigkeiten geprägt. CBAM ist der weltweit erste CO2 Grenzausgleich, so dass es bisher an Praxiserfahrungen mangelt. Nach dem ersten Jahr ist die CBAM Community um viele Erkenntnisse reicher.
Erfahrungen aus der Unternehmenspraxis
Seit dem CBAM Start haben wir uns bei CO2 IQ mit der CBAM Umsetzung in über 100 EU Unternehmen befasst – größtenteils im industriellen Mittelstand. Die Erkenntnisse daraus ergeben 5 Arbeitsfelder für Nachbesserungen.
Verhältnismäßiger Aufwand
Zuallererst sehen wir, dass die finanzielle Betroffenheit (d.h. Emissionen) und der Umsetzungsaufwand (d.h. Berichtskomplexität) der betroffenen Unternehmen stark variieren. Dies ergibt sich aus der Importabhängigkeit der Lieferketten.
Bisherige Erfahrungen
Vor allem im Metallhandel, Maschinen und Anlagenbau kann der CBAM Aufwand unverhältnismäßig hoch sein. Hier sehen wir in KMUs und im Mittelstand eher geringe Importmengen und Emissionen. Mit einem breiten Importportfolio und vielzähligen Lieferanten kann die Berichtskomplexität jedoch sehr hoch ausfallen.
Zur Beschaffung von tatsächlichen Emissionsdaten verlangen EU Kommission und DEHSt, dass zumutbare Anstrengungen unternommen werden. Diese sollen im Verhältnis zur Unternehmensgröße oder auch den zugrunde liegenden Emissionen stehen. Was genau „verhältnismäßig“ ist, wurde noch nicht definiert.
Offene Aspekte
Von den CBAM Pflichten sind bisher nur Sendungen unter EUR 150 Warenwert nach §23 der EU Verordnung 1186/2009 ausgenommen. Für importierende Industrieunternehmen ist das kein relevanter Schwellenwert, so dass auch Kleinstimporteure mit sehr geringer Klimawirkung betroffen sind.
Mit der geplanten Abschaffung dieses zollrechtlichen Schwellenwertes ergibt sich eine Möglichkeit, einen praxistauglichen De-Minimis Wert für CBAM zu definieren. Interessant ist hier die Auslegung der DGEC in Frankreich, die Prüfungen auf Quartalsberichte mit Emissionen von mehr als 100 t CO2 konzentriert.
Verlässliche Technik
Die Kommunikation zwischen den berichtspflichtigen Unternehmen und den zuständigen Behörden auf EU und nationaler Ebene erfolgt über das CBAM- Übergangsregister. Darüber werden auch die Quartalsberichte eingereicht.
Bisherige Erfahrungen
Die Abgabe des ersten Berichts für Q4/23 war von technischen Problemen begleitet. Unternehmen in Deutschland hatten bis Mitte Januar keinen Zugang. Viele Unternehmen berichteten von Systemausfällen und Datenverlusten.
Zusammen mit der anschließenden Lockerung des ersten Abgabetermins hat dies der Glaubwürdigkeit geschadet. Mittlerweile wurde an verschiedenen Stellen nachgebessert. Auch die Berichtserstellung über die Eingabemasken im Register oder das Hochladen einer XML-Datei wurden seitdem punktuell verbessert.
Offene Aspekte
Das Übergangsregister soll interoperabel mit bestehenden Zollsystemen sein. Daten daraus sollen zur Überprüfung der Berichte genutzt werden. Diese Daten würden auch die Berichtserstellung der Unternehmen erleichtern. Aktuell führen diese solche Daten aus verschiedenen internen Quellen, teils händisch, zusammen.
Auf Grundlage des Übergangsregisters soll das endgültige Register eingerichtet werden. Ab 2025 soll darin die Zulassung als CBAM-Anmelder und die Abwicklung der CBAM-Zertifikate möglich sein. Ein kontinuierlicher Übergang ist hierfür notwendig.
Ab 2025 sollen sich hier auch die Hersteller von CBAM-Waren mit ihren Emissionsdaten registrieren können. Das würde den Aufwand der EU Unternehmen zur Beschaffung der notwendigen Emissionsdaten erheblich erleichtern.
Realistische Emissionswerte
Ab Q3 dieses Jahres sind in den CBAM-Berichten tatsächliche Emissionsdaten von den Herstellern der CBAM-Waren gefragt. Diese sind nach CBAM-Methode zu berechnen. Bis dahin waren von der EU vorgegebene Standardwerte ansetzbar.
Bisherige Erfahrungen
Bisher hatte der Großteil der Unternehmen von diesen Standardwerten Gebrauch gemacht, um den Berichtsaufwand zu reduzieren. Die Abfrage tatsächlicher Daten von den Waren-Lieferanten zeigen sehr wechselhafte Ergebnisse.
Oft gibt es keine Rückmeldungen oder Daten. Wenn Daten bereitgestellt werden, dann teilweise über Environmental Product Declarations (EPD). Selbst wenn Daten vollständig in den EU XLS Vorlagen geteilt werden, ist die verwandte Methode schwer nachvollziehbar. Tatsächliche Emissionsdaten bleiben Mangelware.
Der Aufbau solcher Daten ist ein langwieriger Prozess. Zudem sollen diese über ein gesamtes Kalenderjahr erfasst werden. D.h. dass nur Unternehmen, die schon in 2023 vor dem CBAM Start eine verlässliche Emissionsüberwachung etabliert hatten, aktuell solche CBAM-konforme Daten berichten können.
Offene Aspekte
Wie mit Schätzwerten bzw. nicht nachvollziehbaren Werten umgegangen werden soll, ist bisher unklar. Weder Unternehmen noch Behörden können aktuell die gemeldeten Daten einfach prüfen. Und Hersteller haben einen Anreiz Emissionswerte niedrig anzusetzen.
Das ist problematisch, da die Werte zur Aktualisierung der Standardwerte genutzt werden sollen. Ab 2026 soll dann von globalen Standardwerten auf nationale Werte umgestellt werden. Mit einem Aufschlag sind diese verwendbar, wenn geprüfte Emissionsdaten fehlen.
Diese sind dann durch einen akkreditierten Prüfer zu prüfen. Die Regeln dazu sollen noch in diesem Jahr vorgelegt werden. Es bleibt fraglich, wie bis 2026 genügend Prüfkapazitäten aufgebaut werden können.
Vorrausschauende Kosten-Kalkulation
An 2026 sind dann für die importierten Emissionen CBAM-Zertifikate zu erwerben. Der Preis wird an die Preise im EU-ETS gekoppelt sein.
Bisherige Erfahrungen
Bisher beschäftigen sich nur wenige Unternehmen mit der finanziellen Wirkung. Genaue Rechnungen sowie das Verständnis der Berechnungsmethodik sind weitestgehend unbekannt.
Allgemein wird angenommen, dass die Kosten in den ersten Jahren des Hochfahrens der CBAM-Abgabe gering bleiben. Allerdings können schon 2026 – je nach Emissionswerten – erhebliche Aufschläge auf die Einkaufskosten fällig werden.
Offene Aspekte
Belastbare Kosten-Kalkulationen sind schon jetzt möglich. Jedoch folgen Details zur Anrechnung von kostenlosen Emissionsrechten im ETS und der im Drittland gezahlten CO2 Preise in Durchführungsverordnungen Mitte 2025.
Begrenzte Umgehungsmöglichkeiten
Mögliche Umgehungsmechanismen sollen geprüft und mit gezielten Maßnahmen verhindert werden. Nur so kann CBAM effektiv eine CO2 Verlagerung verhindern.
Bisherige Erfahrungen
Dass schon jetzt Lieferketten umgestellt werden, um zukünftige CBAM Kosten zu senken, ist bisher nicht erkennbar. Hier ist eine abwartende Haltung zu beobachten.
Allerdings lagern immer mehr KMUs ihr Importgeschäft und damit ihre CBAM Pflichten aus. So konzentrieren sich diese immer mehr in den Händen von Unternehmen, die die administrative CBAM und Zoll-Abwicklung stemmen können.
Offene Aspekte
In einigen Konstellationen können CBAM-Pflichten umgangen werden, in dem Importwaren mit nachgelagerten Warencodes umgemeldet werden.
Langfristig könnten Wertschöpfungsstufen sogar aus Europa ausgelagert werden, wenn nachgelagerte Waren nicht unter CBAM fallen. Schon Ende 2024 ist ein Bericht zur CBAM Erweiterung auf nachgelagerte Waren angekündigt. Damit könnte der CBAM wesentlich umfassender werden als der EU ETS.
Auch bei Vormaterialien gibt es bisher Lücken. Gerade die Nicht-Einrechnung von Schrott stellt einen Nachteil für EU Hersteller dar. Der für 2025 vorgesehen CBAM Review soll eine Ausweitung prüfen – auch auf weitere Sektoren sowie Emissionen.
Ausblick auf die weitere CBAM Ausgestaltung
Für eine pragmatische CBAM Ausgestaltung ergeben sich Nachbesserungsbedarfe. Die angekündigten Verordnungen in den nächsten Monaten werden entscheidende Weichenstellungen für die endgültige Umsetzung ab 2026 bringen.
Dabei bestehen auch Zielkonflikte. Eine CBAM Erweiterung kann heimische Industriesegmente schützen und eine CO2 Verlagerung verhindern. Zugleich würden damit noch mehr Unternehmen unter die CBAM Regeln fallen, auch solche mit einem unverhältnismäßigem Aufwand.
Auch über die EU hinaus sind die CBAM Auswirkungen zu beobachten. Die EU gibt mit CBAM Regeln zur Emissionsüberwachung in Drittländern vor. Diese prüfen bereits eine Ausweitung ihrer CO2 Bepreisung. EU Präsident von der Leyen verkündete kürzlich ihre Unterstützung hierfür.
Quellen und weitere Informationen:
- DEHSt: CO2 Grenzausgleichssystem
- Europäische Kommission: Q&A zum Carbon Border Adjustment Mechanism
- EU: Durchführungsverordnung zu den Berichtspflichten (2023/1773)
- EU: Verordnung zur Einführung eines CO2-Grenzausgleichssystems (2023/956)
Foto von Bernd 📷 Dittrich auf Unsplash