Am 29.1. veröffentlichte die Kommission ihren Kompass zur Wettbewerbsfähigkeit. Dieser stellt einen strategischen Fahrplan für die Amtszeit bis Ende 2029 dar. Auch 2 explizite CBAM-Maßnahmen werden genannt: Die Prüfung einer CBAM-Ausweitung sowie eine CBAM-Vereinfachung. Zugleich wird eine CBAM-Aufschiebung diskutiert.
Ein Kompass zur Wettbewerbsfähigkeit
Am 29. Januar stellte die EU-Kommission Ihren Kompass zur europäischen Wettbewerbsfähigkeit vor. Damit soll die europäische Wirtschaft im globalen Wettbewerb gestärkt werden.
Auch der Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) hat eine Wettbewerbs-Dimension. Er soll über einen CO2-Preis auf Importe eine Abwanderung von Unternehmen in Länder ohne CO2-Bepreisung verhindern, während diese in der EU über den Emissionshandel (ETS) verschärft werden.
Der Kompass geht aus dem Draghi-Bericht hervor, der am 7.9.2024 vorgestellt wurde. Darin beschreibt der ehemalige Präsident der EZB die aktuellen Herausforderungen der EU sowie Handlungsempfehlungen für eine Neuausrichtung.
Viele davon waren bereits in die politischen Leitlinien von Ursula von der Leyen für die neue Kommission eingegangen. Diese hatte im Dezember ihre Amtszeit angetreten. An den Klima-Zielen des Green Deals soll festgehalten werden. Der Kompass ist nun die erste strategische Initiative der neuen Kommission.
Der Kompass gibt 3 Handlungsschwerpunkte vor, u.a. Dekarbonisierung und Wettbewerbsfähigkeit. Diese stützen auf 5 horizontale „Enabler“, wie z.B. bürokratische Vereinfachungen. Die dafür definierten Maßnahmen sind nun von der Europäischen Kommission in der Legislaturperiode bis 2029 auszuarbeiten.
Im Fahrplan zur Dekarbonisierung und Wettbewerbsfähigkeit ist u.a. der Clean Industrial Deal aufgeführt. Damit soll die EU als Produktionsstandort für Klima-Technologien und für energieintensiven Industrien gestärkt werden.
Zur Vereinfachung ist ein Omnibus-Paket vorgesehen. Dieses soll Berichtspflichten aus Taxonomie-Verordnung, Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) bündeln.
Richtungsweisende CBAM-Änderungen
Der Kompass nennt auch 2 explizite CBAM-Maßnahmen:
- CBAM-Review zu einer möglichen Ausweitung;
- CBAM-Vereinfachung für kleinere Unternehmen.
Zuletzt wurde in einem Positionspapier der Europäischen Volkspartei (EPP) eine mögliche CBAM-Aufschiebung ins Spiel gebracht.
CBAM-Ausweitung
Der EU-Kompass zielt auf die Vermeidung einer CBAM-Umgehung und unbeabsichtigter Folgen für Wertschöpfungsketten. Durch das Zurückfahren der kostenlosen Emissionsrechte im ETS erlangen EU-Produzenten einen Kosten-Nachteil.
CBAM gleicht diesen Nachteil für Importe aus Drittstaaten aus. Um diese Wirkung zu erhöhen, soll eine Erweiterung der Anwendung in 2 Richtungen geprüft werden:
- Auf nachgelagerte Waren: Diskutiert wird die Ausweitung auf Erzeugnisse, die aus bereits erfassten CBAM-Produkten hergestellt werden, wie z.B. aus Eisen & Stahl und Aluminium. Gemäß CBAM-Verordnung sollte die Kommission einen Bericht mit Vorschlägen bis Ende 2024 vorlegen.
- Auf zusätzliche Sektoren: Bereits vor der Einführung von CBAM waren zusätzliche Sektoren von der Kommission vorgeschlagen. Insb. organische chemische Erzeugnisse und Polymere sollen gemäß der CBAM-Verordnung in einer CBAM-Bewertung bis Ende 2025 geprüft werden.
Beide Erweiterungen können das Risiko einer CO2 und damit Produktions-Verlagerung reduzieren. Dem gegenüber steht jedoch die Erhöhung der Umsetzungskomplexität.
CBAM-Vereinfachung
Das steht im Gegensatz zu den Rufen nach einer Vereinfachung. Diese erfordert entweder eine Vereinfachung der Regeln selbst oder eine Ausnahme von Unternehmen von diesen Regeln.
Schwierigkeiten bereitet den EU-Unternehmen vor allem die Beschaffung tatsächlicher Emissionswerte von den Herstellern der CBAM-Waren. Hier soll langfristig das O3CI-Portal Abhilfe schaffen.
Wenn tatsächliche Emissionswerte nicht verfügbar sind, werden ab 2026 nationale Standardwerte angesetzt. Zwar werden für diese Aufschläge berechnet, aber für kleinere Importeure dürfte sich die zusätzliche Kostenbelastung in Grenzen halten.
Denn ein Großteil der von CBAM-betroffenen Unternehmen importiert relativ kleine Mengen. Und diese Unternehmen haben oftmals einen ähnlichen Aufwand zur CBAM-Administration wie Großimporteure. In der Ausnahme dieser Unternehmen liegt das größte Vereinfachungspotenzial. Hier gibt es 3 Möglichkeiten:
- Grenzwert für den Warenwert: Aktuell sind Warensendungen unter 150 EUR ausgenommen. Die DIHK hatte schon vor Längerem die Erhöhung auf 5.000 EUR gefordert. Im britischen CBAM wird sogar eine Grenze von 50.000 GBP für die Importmenge pro Jahr gesetzt.
- Grenzwert für Emissionen: Alternativ könnte eine Grenze für die Emissionen der importierten Waren gesetzt werden, unter der Importeure befreit sind. Die DGEC in Frankreich z.B. hat eine Grenze von 100 tCO2 definiert, ab der sie Quartalsberichte prüft.
- Grenzwert für Unternehmensgröße: Zudem könnten auch alle kleineren und mittleren Unternehmen (KMUs) von CBAM ausgenommen werden. Die EPP fordert eine Anwendung auf Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern zu begrenzen.
Der EU-Kompass zur Wettbewerbsfähigkeit beinhaltet CBAM-Vereinfachungen für kleine Marktakteure. Auch soll eine erweiterte KMU-Definition dazu führen, dass tausende Unternehmen von den Vereinfachungen profitieren.
CBAM-Aufschiebung
Zur Entlastung betroffener Unternehmen hatte der EPP-Retreat im Januar sogar eine Aufschiebung sowohl von CSRD und CSDDD als auch CBAM um 2 Jahre gefordert. Die EPP bildet die stärkste Kraft im Europäischen Parlament.
Die Verordnung zur Einführung von CBAM (2023/956) ist seit dem 16. Mai 2023 bereits in Kraft getreten. Anders als bei CSRD und CSDDD wird deren Umsetzung nicht in nationalen Verordnungen geregelt, sondern von der Kommission.
Aktuell läuft die CBAM-Übergangsphase mit Berichtspflichten bis Ende 2025. Der Großteil der CBAM-Vorschriften, wie z.B. der Kauf von CBAM-Zertifikaten gilt allerdings erst ab dem 1.1.2026. Eine Aussetzung würde 2 Änderungen erfordern:
- Zeitliche Verschiebung der Geltung der endgültigen Vorschriften: Zuletzt wurde eine vergleichbare Verschiebung für die EU-Entwaldungsverordnung im Trilog-Verfahren von EU-Rat, Parlament und Kommission beschlossen;
- Anpassung der Richtlinie zum ETS (2003/87): Darin wurde mit den Änderungen (2023/959) ein CBAM-Faktor festgesetzt. Über diesen erfolgt das Zurückfahren der kostenlos zugeteilten Emissionsrechte und das CBAM-Hochfahren ab 2026.
Unklar in der EPP-Forderung ist, wie genau eine Aufschiebung aussehen würde: Eine Verschiebung des gesamten Hochfahrens um 2 Jahre oder das Einsetzen mit dem geplanten CBAM-Faktor in 2028.
Da diese Änderung auch den ETS betrifft, hätte das auch Auswirkungen auf die Realisierbarkeit der gesetzlich vorgeschriebenen EU-Klimaziele. Zur Reduktion der EU-Emissionen um 55% bis 2030 klafft schon jetzt eine Maßnahmenlücke. Eine Lockerung des ETS würde diese vergrößern.
Auch steht die EPP-Forderung nicht in Einklang mit den Linien der CDU/CSU, als größte Partei in der EPP. Diese setzen in ihrem Programm zur Bundeswahl auf die CO2-Bepreisung als Leitinstrument zur Erreichung der deutschen Klimaziele.
Politische Zielkonflikte
Diese unterschiedlichen Richtungen offenbaren ein magisches Dreieck aus Wettbewerbsfähigkeit, Dekarbonisierung und Bürokratieabbau. Es liegt an den politischen Entscheidungsträgern eine Balance zwischen diesen Zielkonflikten zu finden. Das gilt auf europäischer wie auch auf nationaler Ebene.

Von der Kommission kommen nun in den nächsten Monaten:
- Februar 2025: Omnibus- und CBAM-Vereinfachungen und neue SME-Definition sowie Clean Industrial Deal;
- Ende 2025: CBAM-Review, u.a. zur CBAM-Ausweitung.
Während die kommenden Durchführungsakte zu CBAM die Umsetzungsdetails regeln, bestimmen diese Maßnahmen, welche Unternehmen grundsätzlich von CBAM betroffen sind. Neue könnten dazu kommen, während bereits berichts-pflichtige Unternehmen ausgenommen werden könnten. Flexibilität ist gefragt.
Quellen und weitere Informationen:
- Europäische Kommission: Kompass zur Wettbewerbsfähigkeit (Kommunikation)
- Europäische Kommission: Kompass zur Wettbewerbsfähigkeit (Pressemitteilung)
- Europäische Kommission: Draghi-Bericht zur Wettbewerbsfähigkeit
- EU: Verordnung zur Einführung eines CO2-Grenzausgleichssystems (2023/956)
Foto von Mick Haupt auf Unsplash