Mit großer Mehrheit wurden am 18. April 2023 im EU-Parlament die Pläne zur wirksameren Bepreisung von CO2 Emissionen zum Klimaschutz beschlossen. Dazu wird der Handel von Emissionsrechten ausgeweitet und um ein CO2-Grenzausgleichssystem ergänzt. Ein Klima-Sozialfonds soll soziale Belastungen auffangen.
Auf dem Weg zur Klimaneutralität
Die Beschlüsse sind Teil des „Fit für 55“ Pakets, das die die Reduzierung der Treibhausgasemissionen um 55% gegenüber dem Stand in 1990 senken sollen. Dieses Paket wurde als Teil des „grünen Deals“ auf den Weg gebracht. Zur Bekämpfung des Klimawandels soll dieser bis 2050 Netto-Null Emissionen in der EU erreichen.
Grundlage des Beschlusses waren die vorläufigen Einigungen im Trilog aus EU-Kommission, Parlament und Rat im Dezember 2022 zur Ausweitung des EU-Emissionshandelssystems (ETS) und zur Einrichtung eines Klima-Sozialfonds sowie zur Schaffung eines CO2-Grenzausgleichssystems (CBAM).
Im Mittelpunkt steht dabei die Ausweitung von Kohlenstoff Märkten, um die wirtschaftlichen Anreize zur Dekarbonisierung zur erhöhen.
Vier ergänzende Systeme
Die Beschlüsse, die mit großer Mehrheit angenommen wurden, ebnen den Weg für vier ineinandergreifende Systeme, die Unternehmen aller Branchen betreffen.
Zur Erreichung der EU Emissions-Reduktionsziele soll die Anwendung von CO2 Preisen im bestehenden ETS-I ausgeweitet und über ein gesondertes ETS-II auf zusätzliche Sektoren ausgebaut werden. Die Einführung eines CO2-Grenzausgleichsystems ergänzt den ETS-I, um Risiken einer CO2 Verlagerung zu mindern. Vom ETS-II betroffene Haushalte und Unternehmen sollen über einen Klima-Sozialfonds unterstützt werden.
Ausweitung des ETS-I
Das bestehende ETS-I, das bereits in 2005 eingeführt und seitdem ständig weiterentwickelt wurde, wird durch folgende Maßnahmen verschärft und erweitert:
- Abdeckung: Das ETS-I wird ab 2024 auf den Seeverkehr ausgebaut. Damit umfasst ETS-I dann mit Anlagen im Energie- und Industriesektor sowie dem Luft- und Seeverkehr fast 50% aller europäischen Emissionen
- Obergrenze: Das Emissionsreduktionsziel, über welches die Menge an handelbaren CO2 Zertifikaten festgelegt ist, wird bis 2030 schriftweise auf 62% der Emissionen in 2005 erhöht
- Zuteilung: Die Berechnung der kostenlosen Zuteilung an CO2 Zertifikaten orientiert sich ab 2026 stärker an Effizienz-Zielen. Zudem wird die kostenlose Zuteilung schrittweise zurückgefahren
- Handel und Preis: Die Regeln zum Handel und zur Preisbildung bleiben unverändert. Bei übermäßigen Preissteigerungen kann die EU weiterhin die Preise über die Ausgabe zusätzlicher CO2 Zertifikate aus der Markstabilitätsreserve (MSR) drücken
Einführung von CBAM
CBAM ergänzt das ETS-I ab 2026 als eine CO2-basierte Importabgabe auf CO2-intensive Waren. Dadurch soll das Risiko der Verlagerung von CO2-intensiven Herstellungsverfahrens ins Nicht-EU Ausland („Carbon Leakage“), das durch die verschärfte CO2 Bepreisung über das ETS-I steigt, gemindert werden.
CBAM wird im Gleichschritt mit dem Herunterfahren von kostenlosen Emissionsrechten in emissions-intensiven Industrien im ETS-1 hochgefahren. Dafür wird ein steigender CBAM-Faktor auf die berechneten Emissionen angewandt: 2,5% in 2026, 5% in 2027, 10% in 2028, 22,5% in 2029, 48,5% in 2030, 61% in 2031, 73,5% in 2032, 86% in 2023 und 100% ab 2034.
Im Vergleich zum ETS funktioniert CBAM eher als eine CO2 Steuer:
- Abdeckung: Anfänglich fallen CO2-intensive Importwaren aus Eisen und Stahl, Aluminium, Zement, Düngemittel, Elektrizität sowie Wasserstoff unter CBAM. CBAM soll schrittweise auf andere Waren ausgebaut werden
- Obergrenze: CBAM setzt keine Obergrenze auf die CO2 Emissionen aus importierten Waren
- Zuteilung: CO2 Zertifikate müssen über eine CBAM-Plattform erworben werden
- Handel und Preis: CO2 Zertifikate im CBAM werden nicht zwischen Importeuren gehandelt. Der Preis für diese Zertifikate ist an dem ETS-I Preis gekoppelt. Überschüssige Zertifikate können am Ende eines Kalenderjahres zum gleichen Jahr bis zu einer Maximalmenge rückgekauft werden.
Ausbau über ETS-II
Für Straßenverkehr, Gebäude sowie zusätzlichen Sektoren wird ein separates Emissionshandelssystem (ETS-II) eingerichtet. Ab 2027 (bei außergewöhnlich hohen Energiepreisen ab 2028) sind für die durch die Verwendung von Brennstoffen verursachten CO2 Emissionen CO2 Zertifikate zu erwerben.
Über das ETS-II wird auch in diesen – bisher schwer dekarbonisierbaren – Sektoren ein Kohlenstoff Markt etabliert, der wie folgt ausgestaltet ist:
- Abdeckung: Brennstoffe, die im Straßenverkehr und Gebäude-Bereich sowie in zusätzlichen Sektoren verwandt werden, fallen unter das ETS-II
- Obergrenze: Das Emissionsreduktionsziel bis 2030 ist auf 42% der berechneten Emissionsmenge in 2005 festgelegt
- Zuteilung: Alle CO2 Zertifikate im ETS-II werden versteigert. Es findet keine freie Zuteilung statt
- Handel und Preis: CO2-Zertifikate können frei gehandelt werden. Allerdings sollen die Preise bis 2029 auf 45 EUR pro Tonne CO2 stabilisiert werden, in dem CO2 Zertifikate aus der Marktstabilitätsreserve in das ETS-II gegeben werden, wenn der CO2-Preis über diese Marke steigt
Einnahmen aus dem ETS II sollen in einen neu einzurichtenden Klima-Sozialfonds fließen.
Einrichtung eines Klima-Sozialfonds
Der Klima-Sozialfonds soll die sozialen Folgen der steigenden Brennstoffkosten über das ETS-II abfedern.
Der Fonds soll finanzschwächere Haushalte, Verkehrsnutzer und Kleinstunternehmen durch befristete direkte Einkommensbeihilfen sowie durch Förderung von Maßnahmen und Investitionen zur Dekarbonisierung unterstützten.
Der Fonds wird vorerst für die Jahre 2026-2032 mit einem Budget von 65 Milliarden Euro ausgestattet.
Diese Mittel werden über einen Zuweisungsschlüssel an die EU-Mitgliedsstaaten verteilt. Diese können die Mittel aus dem Fonds mit eigenen Haushaltsmitteln aufstocken. Die zu fördernden Maßnahmen und Investitionen werden von den Mitgliedstaaten in Klima-Sozialplänen festgelegt.
Verabschiedung im Rat steht nun aus
Als letzter Schritt im Beschlussgebungsverfahren sind die Rechtsakte zu diesen Systemen nun in den nächsten Wochen vom Europäischen Rat förmlich anzunehmen bevor diese in Kraft treten können.
Zudem sind die rechtlichen Grundlagen in konkretisierende Umsetzungsakte zu überführen, damit die Änderungen auch in der Praxis anwendbar werden. Viele technische Fragen sind in diesen noch zu klären.
Quellen und weiterführende Informationen:
- BMWK: Einigung zur Reform des EU-Emissionshandels
- Bundesregierung: EU-Klimaschutzpaket
- EU-Rat: Fit für 55
- EU-Rat: Reform des EU-Emissionshandelssystems
Foto von Marek Piwnicki auf Unsplash