Europäisches Parlament und Rat haben sich am 18. Dezember 2022 auf einen Ausbau und Verschärfung des Emissionshandels verständigt. Die Einigung zielt auf eine Verstärkung der Lenkungswirkung über CO2 Preise. Zudem sollen zukünftig zwei separate Systeme die Industrie-, Energie-, Verkehrs- und Gebäude-Sektoren abdecken.
Marktinstrumente zum Klimaschutz
Das Emissionshandelssystem (Emission Trading System – ETS) der EU ist bereits einer der größten Kohlenstoff Märkte weltweit. Wie auch CO2 Steuern bepreisen solche Marktinstrumente Emissionen zur Adressierung des Klimawandels.
Das ETS wurde in 2005 eingeführt und schrittweise weiterentwickelt. Mit der Verschärfung der Regelungen für die vierte Handelsperiode (2021-30) stiegen die CO2 Preise bis zuletzt auf 90 EUR pro Tonne CO2. Die Reform des ETS stellt dabei eine wesentliche Maßnahme zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen um 55 % gegenüber dem Stand in 1990 dar. Der erste Vorschlag zur Richtline zur ETS-Reform wurde als Teil des „Fit für 55“ Pakets im Juli 2021 vorgelegt. Im Juni 2022 verständigte sich der Rat auf die allgemeine Ausrichtung dieser Vorschläge.
Neben der Verschärfung des bestehenden Emissionshandels und dem Ausbau auf den Straßenverkehr und Gebäudesektor soll ein Klima-Sozialfonds die sozialen Auswirkungen abfedern. Zudem wird die Reform durch die Schaffung eines CO2-Grenzausgleichssystems (CBAM) ergänzt.
Wie EU ETS funktioniert
Im Gegensatz zu CO2 Steuern, die einen Preis pro Tonne CO2 setzen, legen Emissionshandelssysteme eine Emissionsobergrenze fest. Der Preis ergibt sich dann über den Emissionshandel (sogenanntes Cap-and-Trade System).
Entsprechend der festgelegten Obergrenze stellt die EU CO2 Zertifikate als Emissionsberechtigungen (EU-Allowances – EUA) aus, die entweder über eine kostenlose Zuteilung oder über eine Auktion in einem Einheitspreisverfahren verteilt werden. Diese Verteilung stellt den primären CO2 Markt im ETS dar.
Die darüber verteilten CO2 Zertifikate können dann im sekundären Markt direkt zwischen Verkäufer und Käufer oder über Börsen und Intermediäre gehandelt werden.
Verursacher von CO2 Emissionen müssen für jede emittierte Tonne CO2 ein CO2 Zertifikat abgeben, das damit dem CO2 Markt entzogen wird.
Zukünftig zwei Emissionshandelssysteme
Zusätzlich zur Ausweitung des bisherigen Emissionshandelssystems (ETS-I) für Energie- und Industrieanlagen sowie Luft- und Seeverkehr soll ein neues, gesondertes System für Brennstoffe (ETS-II) geschaffen werden.
Ausweitung ETS-I
Die Reform soll die Emissionsobergrenze und die Menge der kostenlos zugeteilten CO2 Zertifikate für die bisher erfassten Sektoren (Energie, Industrie und Luftverkehr) reduzieren. Zudem soll die Abdeckung von aktuell ca. 40% auf 50% aller EU-Emissionen erweitert werden.
Abdeckung
Dies soll durch den Ausbau des ETS-I auf den Seeverkehr erreicht werden. Damit würde weltweit der erste CO2 Preis auf Emissionen aus der Schifffahrt geschaffen.
Größere Schiffe sollen bereits ab 2024 zum Erwerb von CO2 Zertifikaten verpflichtet werden. Diese Pflicht soll stufenweisen angehoben werden: 40% der geprüften Emissionen in 2024, 70% in 2025 und 100% in 2026. Ab 2026 sollen dann auch Nicht-CO2 Emissionen (d.h. Methan und N2O) erfasst werden.
Durch den Ausbau des ETS-I auf den Seeverkehr soll die Emissionsobergrenze einmalig um 78,4 Millionen CO2 Zertifikate erhöht werden.
Emissionsobergrenze
Das Emissionsreduktionsziel für 2030, über das die Obergrenze der handelbaren Emissionsrechte festgelegt wird, soll von 43% auf 62% erhöht werden – gemessen an den Emissionen der abgedeckten Sektoren in 2005.
Diese Obergrenze soll angepasst werden über:
- Einmalige Verringerung der Gesamtmenge an Zertifikaten um 90 Millionen in 2024 und 27 Millionen in 2026 („Umbasierung“)
- Anhebung der jährlichen Reduktion der ausgegebenen CO2 Zertifikate von aktuell 2,2% auf 4.3% in 2024-2027 und 4,4% ab 2028 („linearer Kürzungsfaktor“)
- Fortführung der jährlichen Aufnahme von 24% der CO2 Zertifikate in die Markstabilitätsreserve (MSR), die so dem Markt entnommen werden; bei übermäßigen CO2 Preissteigerungen im ETS soll die MRS automatisch Zertifikate in den ETS geben, um den Preisdruck zu senken
Kostenlose Zuteilung
Die Zuteilungsregeln für Energie- und Industrie-Anlagen sollen überarbeitet werden, damit die kostenlose Zuteilung von CO2 Zertifikaten ab 2026 gezielter erfolgen kann:
- Stärkere Absenkung von Benchmarks, über die die kostenlos zugeteilten CO2 Zertifikats-Mengen festgesetzt werden; diese sollen zudem technologischen Fortschritt berücksichtigen
- Ausrichtung der kostenlosen Zuteilung an Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz und Emissionsreduktion („Konditionalitätsregeln“)
- Schrittweises Herunterfahren der kostenlosen Zuteilung im Gleichschritt mit dem Hochfahren eines CO2-Grenzausgleichssystems ab 2026 in Sektoren mit hohem Risiko einer Produktions-Verlagerung ins Nicht-EU Ausland; bisher waren diese Sektoren von der Absenkung der kostenlosen Zuteilung ausgenommen
Auch die kostenlosen Emissionszertifikate für den Luftfahrtsektor sollen bis 2026 schrittweise abgeschafft werden.
Neues ETS-II
Für Brennstoffe in Straßenverkehr, Gebäuden und anderen Sektoren soll mit dem ETS-II ein neues, eigenständiges Emissionshandelssystem eingerichtet werden, um Emissionen auch in diesen Sektoren zu reduzieren.
Ab 2027 benötigen Kraftstoff-Lieferanten und -händler CO2 Zertifikate für die in Umlauf gebrachten Brennstoffe. Bei außergewöhnlich hohen Energiepreisen kann der Start um ein Jahr verschoben werden.
Das ETS-II umfasst folgende Regelungen:
- Festlegung einer Emissionsobergrenze in 2030 als 42% aller Emissionen in den vom ETS-II erfassten Sektoren in 2005; die Gesamtmenge der CO2 Zertifikate sollte erstmals im Jahr 2027 festgelegt werden
- Jährliche Kürzung der CO2 Zertifikate um 5,10% bis 2027 und 5,38% ab 2028 auf einem in 2024 beginnenden Minderungspfad
- Versteigerung aller CO2 Zertifikate ab 2027; eine kostenlose Zuteilung wie im ETS-I ist nicht vorgesehen
- Übersteigen der Versteigerungsmenge im ersten Jahr um 30% über der festgelegten Zertifikatsmenge, damit Unternehmen Preis- und Liquiditätsrisiken mindern können („Frontloading“)
- Stabilisierung der Preise auf 45 EUR pro Tonne CO2 bis 2029 über die Freigabe von CO2 Zertifikaten aus der Marktstabilitätsreserve, wenn der CO2-Preis über diese Marke steigt
Es ist vorgesehen, dass Brennstoff-Lieferanten, die bereits über ein nationales System erfasst sind, bis Ende 2030 vom ETS II befreit sind. In Deutschland wird bereits ein nationaler Emissionshandel (nEHS) umgesetzt.
Förmlicher Beschluss im Frühjahr 2023
Nach dieser vorläufigen Einigung im Trilog steht nun der förmliche Beschluss der ETS-Reform im Parlament und Rat an bevor die neuen Regeln in Kraft treten.
Für den ETS-I tritt u.a. die Ausweitung auf den Seeverkehr und das Rückfahren der kostenlosen CO2 Zertifikate im Luftverkehr schon in 2024 in Kraft. Der Großteil der Änderungen – vor allem zur kostenlosen Zuteilung – greift ab 2026.
Unternehmen, die unter das ETS-II fallen, müssen bereits ab 2024 ihre Emissionen berichten bevor der CO2 Zertifikate-Handel in 2027 (bzw. 2028) startet.
Quellen und weiterführende Informationen:
- DEHSt: Nationaler Emissionshandel
- EU Komission: Richtlinie zur Änderung des ETS
- EU Komission: Reform des Emissionshandels
- EU Parlament: Einigung über ehrgeizigeren EU-Emissionshandel
- EU Rat: Vorläufige Einigung zum Emissionshandelssystem
- EU Rat: Allgemeine Ausrichtung des EU ETS
- EU Rat: Fit für 55
- UBA: Der europäische Emissionshandel
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