BlogCO2 Management, EU Emission Trading System (ETS)

90% Klimaziel für die EU in 2040

Geschrieben von

Ulf Narloch

Veröffentlicht am

2. Juli 2025

Die EU-Kommission hat ihren Gesetzesvorschlag für ein Klimaziel im Jahr 2040 vorgelegt. Sie hält dabei an einer 90%igen Reduzierung der Emissionen von 1990 fest. Für bis zu 3% sollen internationale CO2 Gutschriften anrechenbar sein. Mit CO2 Entnahmen und Speicherung ergibt sich eine Reduktion der Brutto-Emissionen um 75%.

(Letzte Aktualisierung am 10.07.2025) 

Ziele auf dem Weg zur Klimaneutralität

Er kam mit Verspätung, fiel aber ambitioniert aus. Die EU-Kommission (EC) hat den Gesetzesvorschlag für das Klimaziel 2040 vorgelegt. Die Treibhausgas (THG) Emissionen sollen gegenüber 1990 um 90% reduziert werden. Internationale CO2 Gutschriften können auf bis zu 3% dieser Emissionen angerechnet werden.

Die EU strebt an, bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent zu werden, um die Verpflichtungen des Pariser Abkommens zu erfüllen. Als Teil des Green Deals wurde das Ziel von Netto-Null-Emissionen in 2050 im Europäischen Klimagesetz (ECL: 2021/1119) rechtsverbindlich festgeschrieben.

Das ECL gibt auch vor, die Emissionen von 1990 bis 2030 um 55% zu senken. Dazu wurden im Fit-for-55-Paket politische Maßnahmen und Rechtsvorschriften auf den Weg gebracht. Das ECL legt zudem einen Prozess zur Festlegung eines Zwischenziels für 2040 fest.

Im Februar 2024 hatte die EC dafür ihre Empfehlungen für eine 90%ige Reduktion veröffentlicht – zusammen mit einer Strategie für das CO2 Management. Beides wurde untermauert durch eine Folgenabschätzung sowie durch Empfehlungen des European Scientific Advisory Board of Climate Change.

Auf der Grundlage dieser Vorarbeiten wurde der Vorschlag zur Anpassung des ECL bereits im Februar mit dem Start der Arbeit der neuen Kommission erwartet. Gespräche mit den Mitgliedstaaten und Stakeholdern zeigten jedoch, dass der Widerstand einiger Länder gegen ein ambitioniertes Klimaziel wächst.

Was beinhalten die Ziele für 2040?

Der EC Vorschlag zur Anpassung des ECL hält an einer Reduktion der 1990er Emissionen um 90% fest. Jedoch bietet er eine gewisse Flexibilität. Internationale CO2 Gutschriften für bis zu 3% dieser Emissionen sowie auch CO2 Entnahmen sollen auf dieses Netto-Ziel anrechenbar sein.

Unterziele dafür wurden nicht definiert. Doch die Folgenabschätzung modelliert CO2 Emissionen, Entnahmen und Speicherung in verschiedenen Szenarien. Auf deren Grundlage zeigen unsere Berechnungen, dass für die 90%ige Reduktion der Netto-Emissionen die Brutto-Emissionen um 75% gesenkt werden müssten.

CO2 Vermeidung

Die Notwendigkeit einer tatsächlichen Verringerung der Bruttoemissionen wird durch Maßnahmen verringert, die auf die Nettoemissionen angerechnet werden.

Der Legislativvorschlag der EG lautet:

  • „Um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen, … besteht das verbindliche Klimaziel der Union für 2040 in einer Verringerung der Netto-Emissionen (Emissionen nach Abzug von Entnahmen) um 90% gegenüber dem Stand von 1990 bis 2040.“

Mit einer 90% Reduktion bleiben 464 Mt CO2e in 2040. Rechnet man CO2 Gutschriften, Entnahmen und Speicherung hinzu, betragen die Brutto-Emissionen 1.147 Mt CO2e. Dies ist zwar 2,5 Mal höher als die Netto-Emissionen, doch müssten auch dafür noch mehr als 60% der heutigen Emissionen abgebaut werden.

Lt. der Folgenabschätzung würden die Vermeidungen vor allem die Strom- und Energiesysteme betreffen, die bis 2040 weitgehend dekarbonisiert werden müssten. Auch die Emissionen in der Industrie müssten massiv sinken.

Emissionen aus Gebäuden müssten auf unter 100 Mt CO2e pro Jahr fallen. Ebenso müsste ein großer Teil des Straßenverkehrs ohne fossile Brennstoffe auskommen. Mit diesen Einsparungen würde die Landwirtschaft der bei weitem größte Emittent werden.

Der EC Vorschlag unterstützt auch die Flexibilität zwischen den Sektoren, um die Emissionen auf kosteneffiziente Weise zu verringern.

CO2 Gutschriften

Inländische Emissionen können durch den Erwerb von internationalen CO2 Gutschriften für Emissionsreduktionen an anderen Orten kompensiert werden.

Der EC Vorschlag fügt hinzu, dass berücksichtigt werden soll:

  • „Ab 2036 ein möglicher begrenzter Beitrag … hochwertiger internationaler Gutschriften gemäß Artikel 6 des Pariser Abkommens in Höhe von 3 % der EU-Nettoemissionen von 1990… Herkunft, Qualitätskriterien und andere Bedingungen werden im Unionsrecht geregelt.“

Dieser Zusatz wurde vom Koalitionsvertrag inspiriert. Darin hatten sich die Regierungsparteien CDU/CSU und SPD ebenfalls auf die Verwendung von außereuropäischen CO2 Gutschriften mit einer Obergrenze von 3% geeinigt.

Obwohl dieser Prozentsatz gering ist, macht er mit 139 Mt CO2e rund 30% der Netto-Emissionen in 2040 aus. Neben dieser Aufweichung des 90%-Ziels weisen Kritiker auch auf Integritätsbedenken für solche CO2 Gutschriften hin.

Während Artikel 6 einen internationalen Rahmen für die Validierung, Verifizierung und Ausstellung hochwertiger Emissionsgutschriften festlegt, suggeriert der Text, dass die EU ihre eigenen Regeln setzt.

Auch wäre die Verwendung solcher internationalen CO2 Gutschriften bis 2050 begrenzt. Denn das ECL schreibt vor, dass dann die Netto-Emissionen innerhalb der EU bei null liegen sollen.

CO2 Entnahmen

Emissionen können auch durch die dauerhafte Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre durch Technologien zum Carbon Dioxide Removal (CDR) ausgeglichen werden.

Der von der EC vorgeschlagene Text verlangt, dass folgenden Legislativvorschläge sicherstellen sollen:

  • „die Rolle der inländischen dauerhaften Entnahme im Rahmen des EU Emissionshandelssystems (EU ETS), um Restemissionen aus schwer-vermeidbaren Sektoren zu kompensieren.“

Um das 90 %-Ziel im Jahr 2040 zu erreichen, wäre lt. der Folgenabschätzung eine jährliche Entnahme von 365-391 Mt CO2e erforderlich. Diese müßten in den EU Emissionshandel integriert werden.

Ergänzend zum ECL zielt die überarbeitete LULUCF-Verordnung (2023/839) auf Entnahmen von 310 Mt CO2 pro Jahr im Jahr 2030 aus natürlichen CO2-Senken ab. Der Rest müsste aus industriellen Entnahmen gedeckt werden.

Während diese aktuell kaum eine Rolle spielen, wurden durch Landnutzung und Forstwirtschaft (LULUCF) im vergangenen Jahr bereits 200 Mt CO2 aus der Atmosphäre entfernt. Diese Werte sind jedoch rückläufig.

So würde das 2040-Ziel eine starke Ausweitung der natürlichen CO2-Senken oder eine rasche Skalierung der industriellen Entnahmen erfordern.

CO2 Speicherung

Zudem kann verhindert werden, dass schwer-vermeidbare Emissionen in die Atmosphäre gelangen – durch Technologien zur Abscheidung und Speicherung von CO2.

Der vorgeschlagene Rechtstext der EC erwähnt diese Lösung nicht ausdrücklich, aber der Einleitungstext hebt die Rolle der Abscheidung biogener Emissionen mit CO2 Speicherung (BioCCS) und Direct Air Capture mit CO2 Speicherung (DACCS) als Entnahmen hervor. 

Darüber hinaus können Emissionen aus Industrieprozessen und der Stromerzeugung abgeschieden und dauerhaft gespeichert werden. Der Folgenabschätzung zufolge würde das 90%-Ziel die Abscheidung von 164-169 Mt CO2e aus diesen Quellen erfordern. Der größte Teil dieses CO2 würde dauerhaft unterirdisch gelagert werden.

Da dies mehr als 10% der heutigen Energie- und Industrieemissionen in der EU entsprechen würde, wäre ein massiver Ausbau der Abscheidungs- und Speicherkapazitäten erforderlich. Die Strategie für das industrielle CO2 Management ab 2024 bildet den Rahmen für solche Maßnahmen.

Rechtsverbindliche Ziele für 2040

Nach diesen Legislativvorschlägen der EC starten nun die Verhandlungen mit EU-Rat und Parlament. Diese müssen den Zielen im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren zustimmen. Die Diskussionen könnten sich schwierig gestalten, wie zuletzt der Vorstoß von Präsidenten Macron zur Aufschiebung der Vorschläge zeigte.

Doch die Zeit wird knapp. Bereits im September muss die EU für die UN-Klimakonferenz (COP30) in Belém (Brasilien) ihre Nationally Determined Contributions (NDC) mit einem Emissionsziel für 2035 vorlegen.

Im EU-Parlament ist Antrag auf ein Eilverfahren zum Klimaziel bereits abgelehnt wurden. Wann und wie eine Einigung möglich ist, bleibt abzuwarten.

Im aktuellen geopolitischen Umfeld liegt der Fokus eher auf Wettbewerbsfähigkeit und Sicherheit, wie der Wettbewerbs-Kompass oder der Aktionsplan für die Stahl- und Metallindustrie verdeutlichen. Entsprechend hat die EC mit dem 2040-Ziel auch erste Vorschläge für den Clean Industrial Deal vorgelegt.


Quellen und weitere Informationen:


Foto von Marco de Winter auf Unsplash


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