BlogNachhaltigkeit – ESG

EU Lieferkettengesetz kommt

Geschrieben von

Ulf Narloch

Veröffentlicht am

6. Mai 2024

Nach langem Ringen stimmte das Europäische Parlament neuen unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Nachhaltigkeit zu. Die neue Richtlinie verpflichtet Unternehmen, Risiken für Menschenrechte und Umwelt zu vermeiden. Im Vergleich zu dem früheren Entwurf der EU-Kommision wurden die neuen Regeln deutlich aufgelockert.

Neue Sorgfaltspflicht zur Nachhaltigkeit

Nach wochenlangem Ringen hat das Europäische Parlament nun grünes Licht für die Corporate Sustainability Due Dilligence Directive (CSDDD oder auch bekannt als CS3D) gegeben. Dieses neue Richtline verlangt neue Sorgfaltspflichten zu Menschenrechts- und Umweltrisiken in der Lieferkette.

Im Dezember 2023 wurde eine vorläufige Einigung zwischen dem Europäischen Parlament und dem Rat zu einem früheren Entwurf der EU-Kommission erzielt. Jedoch scheiterte die Abstimmung dazu im Februar 2024 nach dem Widerstand Deutschlands und Italiens, dem andere Mitgliedstaaten folgten.

Als Ergebnis langer Verhandlungen wurde der Text in mehreren Bereichen überarbeitet. Vor allem die Regeln zu den Unternehmen und Aktivitäten, die unter die Verordnung fallen, wurden deutlich gelockert.

Die CSDDD führt einen Rahmen für die Sorgfaltspflicht ein, der mit den Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte und den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen im Einklang steht. Internationale Standards verbessern die weltweite Übertragbarkeit dieser EU-Vorschriften.

Puzzlestück für nachhaltige Lieferketten

Mit mehreren, neuen Gesetzesinitiativen bringt die EU mehr Transparenz zur  Nachhaltigkeitsaspekten in Unternehmen.

Durch die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) greifen fortan erweiterte Berichtspflichten für Unternehmen. Über die darin festgelegten Nachhaltigkeits-Standards ist die CSRD mit der CSDDD verknüpft.

Auch die EU Regulation on Deforestation-free Products (EUDR) bringt neue Anforderungen. Ab Dezember 2024 müssen Handelsunternehmen, die mit Holz, Rindern, Kakao, Soja, Palmöl, Kaffee, Kautschuk und ähnlichen Produkten handeln, nachweisen, dass diese Produkte nicht aus abgeholzten Gebieten stammen.

Schon jetzt müssen Unternehmen, die CO2-intensive Waren importieren, im Rahmen des Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) Bericht erstatten. Während ab 2026 eine CO2-Abgabe auf diese Importe fällig wird, müssen die betroffenen Unternehmen vorerst die in diesen Importen enthaltenen Emissionen messen.

Verpflichtungen aus der CSDDD

Die Richtlinie verpflichtet die betroffenen Unternehmen, Umwelt-, Sozial- und Governance-Erwägungen (ESG) besser zu berücksichtigen, indem sie sich mit Menschenrechten und Umweltauswirkungen befassen und einen Übergangsplan zur Eindämmung des Klimawandels umsetzen.

Verpflichtung zur Sorgfaltspflicht

Die erfassten Unternehmen sind verpflichtet, eine risikobasierte menschenrechtliche und ökologische Sorgfaltsprüfung in ihren Betrieben und ihrer Wertschöpfungskette durchzuführen. Dazu gehören:

  1. Vorgelagerten Tätigkeiten: Gewinnung, Beschaffung, Herstellung, Transport, Lagerung und Lieferung von Rohstoffen/Produkten/Teilen sowie die Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen
  2. Nachgelagerte Tätigkeiten: Vertrieb, Transport und Lagerung.

Folgende Maßnahmen sind zu ergreifen:

  1. Integration der Sorgfaltspflicht in die Unternehmensrichtlinien und Risikomanagementsysteme
  2. Identifizierung, Bewertung und ggf. Priorisierung tatsächlicher oder potenzieller negativer Auswirkungen auf die Menschenrechte und die Umwelt
  3. Verhinderung und Abschwächung potenzieller negativer Auswirkungen
  4. Einrichtung und Aufrechterhaltung eines Meldemechanismus und eines Beschwerdeverfahrens
  5. Überwachung der Wirksamkeit der Sorgfaltspflichtpolitik und -maßnahmen
  6. Öffentliche Kommunikation zu Sorgfaltspflichten.

Verpflichtung zum Übergangsplan

Die Unternehmen sind außerdem verpflichtet, einen Übergangsplan zur Bekämpfung des Klimawandels aufzustellen. Zu den Inhalten des Übergangsplans gehören:

  1. Zeitgebundene Klimaziele für 2030 und in 5-Jahres-Schritten bis 2050 sowie gegebenenfalls Reduktionsziele für Scope-1-, Scope-2- und Scope-3-Emissionen
  2. Identifizierung von Dekarbonisierungshebeln und Planung von Maßnahmen zur Erreichung der Ziele
  3. Quantifizierung der Investitionen und der Finanzierung zur Unterstützung der Umsetzung des Übergangsplans
  4. Rolle der Verwaltungs-, Management- und Aufsichtsorgane in Bezug auf den Plan.

Der Plan ist alle 12 Monate zu aktualisieren und muss eine Beschreibung der Fortschritte enthalten, die das Unternehmen bei der Erreichung der festgelegten Ziele gemacht hat.

Wer fällt unter CSDDD?

Ursprünglich hatte der Vorschlag deutlich niedrigere Schwellenwerte für Unternehmensgrößen vorgesehen  und auch die Abdeckung besonders risiko-relevanter Sektoren. Der angenommene Text umfasst nun:

  1. EU-Unternehmen und Muttergesellschaften mit mehr als 1.000 Beschäftigten und einem weltweiten Umsatz von mehr als EUR 450 Mio.;
  2. Nicht-EU-Unternehmen und Muttergesellschaften, die in der Union einen Umsatz von mehr als EUR 450 Mio. erzielen;
  3. Franchiseunternehmen mit einem Umsatz von mehr als EUR 80 Mio., wobei mindestens 22,5 Mio. EUR durch Lizenzgebühren erwirtschaftet werden müssen.

Sobald die Richtlinie in Kraft tritt, haben EU- und Nicht-EU-Unternehmen je nach ihrer Größe zwischen 3 und 5 Jahren zur Umsetzung Zeit. Unternehmen, die noch nicht unter die CSRD fallen, müssen ab Januar 2028 oder 2029 über ihren Due-Diligence-Prozess informieren.

Der Finanzsektor ist ebenfalls abgedeckt; allerdings mit einem engeren Fokus, der die Berichterstattung über nachgelagerte Aktivitäten ausschließt. Die Kommission soll innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten der CSDDD zusätzliche Nachhaltigkeitsanforderungen für diesen Sektor entwickeln.

Auch wenn die KMU nicht unter die Richtlinie fällt, werden sie deren Auswirkungen durch ihre Einbindung in die Lieferketten größerer Unternehmen spüren. Spätestens sechs Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie soll eine Bewertung der Auswirkungen auf KMUs vorgenommen werden.

Was kommt als Nächstes?

Nach der erfolgreichen Annahme durch das Parlament und dem Rat wird die Richtlinie nun im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Sie wird am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung in Kraft treten. Die Mitgliedstaaten werden zwei Jahre Zeit haben, um nationale Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Richtlinie zu erlassen.

Frankreich und Deutschland – haben bereits nationale Versionen der CSDDD: Das französische Loi sur le devoir de vigilance für Unternehmen ab 5.000 Mitarbeitern, und das deutsche Lieferketten-Sorgfalts-Gesetz (LkSG) für Unternehmen ab 1.000 Mitarbeitern. Beide Gesetze müssen der CSDDD-entsprechend angepasst werden.

Betroffene Unternehmen sollten nicht lange warten, um Systeme zur Umsetzung der neuen Vorschriften einzurichten. Bei Nichteinhaltung drohen zivilrechtliche Haftung und Geldstrafen von bis zu 5 % des weltweiten Nettoumsatzes eines Unternehmens.

(dieser Artikel wird regelmäßig aktualisiert – letzte Aktualisierung am 24.5.2024)  


Quellen und weitere Informationen:


Foto von Mika Baumeister auf Unsplash