BlogCO2 Bepreisung – Allgemein, CO2 Management

Klima-Ambitionen im Koalitionsvertrag

Geschrieben von

Ulf Narloch

Veröffentlicht am

10. April 2025

Am 9.4.2025 präsentierten CDU/CSU und SPD ihren Koalitionsvertrag. Dieser gibt die inhaltlichen Eckpunkte der neuen Bundesregierung vor – auch zur Klimapolitik.  Auch wenn Klima kein Schwerpunkthema ist, finden sich darin unterschiedlichste Anasatzpunkte zur Dekarbonisierung.

Verhandlungen zur Koalitionsbildung

Nach 4-wöchigen Verhandlungen einigten sich die Unionsparteien der CDU und CSU mit der SPD zu dem Koalitionsvertrag „Verantwortung für Deutschland“. Dieser gibt die inhaltlichen Eckpunkte der neuen Bundesregierung in der nächsten Legislaturperiode vor.

Eine Zusammenarbeit der CDU/CSU Fraktion mit der SPD wurde als einzige politisch gangbare Regierungskoalition nach der Bundestagswahl gesehen. Auf Grundlage der Sondierungsergebnisse wurden dann die Inhalte für den Koalitionsvertrag erarbeitet. Dies erfolgte in 16 Arbeitsgruppen u.a. in der AG Klima und Energie.

Nach der nun erzielten inhaltlichen Einigung steht nun noch die Zustimmung der Parteigremien aus. Vorbehaltlich der jeweiligen Zustimmungen wäre ein Regierungswechsel zum 7.5.2025 möglich. Dann könnte Friedrich Merz als neuer Bundeskanzler zur Abstimmung im neuen Bundesstag gestellt werden.

Schon vor dessen Konstitution Ende März hatten die angehenden Koalitionsparteien weitreichende Verfassungsänderungen durchgerungen. Neben der Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben ist auch ein Sondervermögen für Infrastruktur über EUR 500 Mrd. vorgesehen.

Auf Druck der Grünen – deren Stimmen für die benötigte 2/3 Mehrheit im Bundestag notwendig war – wurden auch die Klimaaspekte nachgeschärft. Damit wird das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 nun im Grundgesetzt verankert. Dafür sollen aus dem Sondervermögen EUR 100 Mrd. in den Klima- und Transformationsfond fließen.

Klimapolitische Vorgaben im Koalitionsvertrag

Wie erwartet bildet der Klimawandel in der aktuellen politischen Lage keinen Schwerpunkt im Koalitionsvertrag. Jedoch finden sich in dem 144-seitigen Dokument unterschiedliche klimapolitische Ansätze. Diese stammen zum Großteil aus den Wahlprogrammen der CDU/CSU und SPD.

Klima im Koalitionsvertrag

Klimaziele

Insgesamt bestärkt der Koalitionsvertrag die deutschen und europäischen Klimaziele und definiert die Zielvorgabe eines klimaneutralen Industrielandes:

  • Klimaneutralität bis 2045 in Deutschland, indem Klimaschutz, wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und soziale Ausgewogenheit zusammengerbacht werden;
  • Fokus auf THG-Reduktion in Deutschland, zusätzlich durch Anrechnung negativer Emissionen sowie in begrenztem Umfang durch hochqualifizierte und glaubwürdige CO2-Minderungen in außereuropäischen Partnerländern.

Auch wird ein EU Reduktionsziel für 2040 in Höhe von 90% gegenüber den Emissionen in 1990 unterstützt. In der aktuellen Debatte über ein weniger ambitioniertes Ziel, bestärkt dies den Vorschlag der EU-Kommission aus dem letzten Jahr. Jedoch werden dafür folgende Maßgaben formuliert:

  • EU Zielvorgaben sollen nicht über dem deutschen Klima-Ziel für 2040 liegen;
  • In begrenztem Umfang auch negative Emissionen anrechenbar sind;
  • CO2-Reduzierungen in außereuropäischen Ländern anrechenbar sind.

Diese internationale Anrechnung könnte unter den marktbasierten Mechanismen des Artikels 6 im Paris Abkommen erfolgen. Allerdings ist eine Grenze von 3% der 2040er Ziele formuliert. Selbst bei ehrgeizigen Zielen wären dies nur 25 Mt CO2 pro Jahr.

CO2 Bepreisung

An der CO2 Bepreisung als „zentraler Baustein im Instrumentenmix“ wird festgehalten. Dies ist schwächer formuliert als noch im CDU/CSU Wahlprogramm, das einen Ausbau zum Leitinstrument gefordert hatte. Weitere Vorgaben sind formuliert:

  • Vorantreiben des Emissionshandels europäisch und international mit einer Ausweitung der CO2-Bepreisung auf neue Länder;
  • Verfolgung einer ökonomisch tragfähigen Preisentwicklung mit Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit und soziale Akzeptanz;
  • Unterstützung der Einführung des ETS-2 (für Gebäude und Verkehr) mit einem fließenden Übergang aus dem deutschen BEHG in das ab 2027 wirkende ETS-2;
  • Einsatz für Instrumente, die CO2-Preissprünge für Verbraucher und Unternehmen vermeiden;
  • Unterstützung besonders belasteter Haushalte mit Mitteln des Europäischen Klimasozialfonds; dazu sozial gestaffelte Entlastungen und Förderungen beim Wohnen und bei der Mobilität;
  • Kompensation von stark betroffenen Wirtschaftsbranchen im Wettbewerb und keine Nutzung des Opt-in für den Landwirtschafts-Sektor in den ETS-2.

Damit wird auf die Vermeidung zusätzlicher Belastungen durch CO2 Preise gesetzt – über eine Preis-Regulierung und über Kompensationszahlungen. Ein von vielen Experten und den Parteiprogrammen gefordertes Klimageld findet dabei keine Erwähnung.  

CO2 Grenzausgleich

Dagegen wird CBAM zur Stärkung des Industriestandorts aufgeführt. Eine Abwanderung energieintensiver Unternehmen aufgrund unterschiedlicher Klimaschutzstandards (Carbon Leakage) soll verhindert werden über:

  • Unterstützung der Vorschläge der EU-Kommission zur CBAM-Vereinfachung;
  • Einsatz für den Ausgleich für Exporte bei den von CBAM erfassten Produkten;
  • Regelung der kostenfreien Zuteilung für exportorientierte Branchen, falls ein effektiver Carbon Leakage-Schutz über den CBAM nicht gelingt.

Wie eine Fortführung kostloser Emissionsrechte im ETS-1 aussehen würde, bleibt unklar. Die Ausgestaltung von CBAM und ETS liegt in die Zuständigkeit der EU.

Industrielle Dekarbonisierung

Zur Stärkung des Industriestandorts finden sich auch Maßnahmen zur Dekarbonisierung industrieller Produktionsprozesse, so z.B.:

  • Schaffung von Leitmärkten, z.B. durch Quoten für die emissionsarme Herstellung von Stahl, eine Grüngasquote oder vergaberechtliche Vorgaben;
  • Unterstützung der Stahlindustrie bei der Umstellung der Produktionsprozesse– dazu auch CCS und Recycling von Stahlschrott;
  • Erarbeitung einer Chemieagenda 2045 sowie Unterstützung der Kreislaufwirtschaft und das chemische Recycling von Kunststoffen;
  • Fortsetzung der Förderprogramme zur Dekarbonisierung der Industrie, u.a. die Klimaschutzverträge – mit Bindung an Kriterien wie die Standortsicherung;
  • Beschleunigung des Aufbaus einer Wasserstoffwirtschaft und Ausgestaltung eines pragmatischen Hochlaufs – mit Nutzung aller Farben;
  • Stärkung des Klimaclubs.

Damit wird in Teilen der Kurs der Vorgängerregierung fortgesetzt. Diese hatte unter grüner Leitung des Wirtschaftsministeriums sowohl grüne Leitmärkte und die Klimaschutzverträge als neue Instrumente initiiert.

Dekarbonisierung in anderen Sektoren

Auch für den Energie, Gebäude und Verkehr-Sektor finden sich verschiedene Vorgaben zur Dekarbonisierung – aufbauend auf laufenden Maßnahmen:  

  • Entschlossener Ausbau Erneuerbarer Energien und Festhalten an den Ausstiegspfaden für die Braunkohleverstromung bis spätestens 2038;
  • Modernisierung der Wärmeversorgung zur Erreichung der Klimaziele im Gebäudesektor;  dazu u.a. ein Fahrplans für defossilisierte Energieträger;
  • Verankerung der erreichbaren CO2-Vermeidung als zentrale Steuerungsgröße in einem technologieoffenem, flexiblen und einfachen Gebäudeenergiegesetz (“Heizungsgesetz”);
  • Technologieoffenheit im Straßenverkehr; u.a. Vorziehen der Überprüfung der CO2-Reduktionsziele für schwere Nutzfahrzeuge sowie Begrüßung einer Elektrifizierung der Fahrzeugflotten ohne pauschale gesetzliche Quoten;
  • Prüfung von Möglichkeiten zur Reduzierung von Mehrfachbelastungen im Straßengüterverkehr durch die CO2-Bepreisung;
  • Vermeidung einer Benachteiligung europäischer Gesellschaften bei der Sustainable Aviation Fuel (SAF)-Quote mit geeigneten Instrumenten; dazu Verwendung nationaler Einnahmen aus dem ETS-1 für Luftfahrt;
  • Zeitnahe Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie III (RED III) und Erhöhung der nationalen Treibhausgasminderungsquote (THG-Quote).

Neben diesen sehr unterschiedlichen Ansätzen lässt der Koalitionsvertrag jedoch klare Wege und Zielvorgaben zur sektorale Dekarbonisierung vermissen.

CO2 Management

Technologien zur CO2 Abscheidungs- und Speicherung (CCS) und Nutzung (CCU) sollen den Ausbau der Erneuerbaren Energien und effizienter Produktionsprozesse ergänzen über:

  • Gesetzespaket zur Ermöglichung von CO2 Abscheidung, Transport, Nutzung und Speicherung, insb. für schwer vermeidbare Emissionen der Industrie und für Gaskraftwerke; dazu Feststellung des überragend öffentlichen Interesses für den Bau von CCS/CCU-Anlagen und -Leitungen;
  • Priorisierung der Ratifizierung des London-Protokolls sowie die Schaffung von bilateralen Abkommen mit Nachbarländern;
  • Ermöglichung der CO2-Speicherung offshore außerhalb des Küstenmeeres in der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) und des Festlandssockels der Nordsee sowie onshore; dazu Einführung einer Länderöffnungsklausel;
  • Direct Air Capture (DAC) als eine mögliche Zukunftstechnologie, um Negativemissionen zu heben.

Damit wird insgesamt die Rolle eines aktiven CO2 Managements in den Klima-Zielen gestärkt. Zudem wird an den Eckpunkten der Carbon Management Strategie der Vorgängerregierung festgehalten.

Klimaanpassung

Zur Bewältigung der Folgen des Klimawandels soll die Klimaanpassungsstrategie umgesetzt und bestehender Förderprogramme genutzt und angepasst werden um:

  • Finanzierung von Vorsorgemaßnahmen gemeinsam mit den Ländern und Unterstützung der Kommunen bei der Anpassung an den Klimawandel; dazu Einrichtung eines Sonderrahmenplan Naturschutz und Klimaanpassung und Prüfung der Einführung einer diesbezüglichen Gemeinschaftsaufgabe;
  • Beschleunigung Hochwasser- und Küstenschutzmaßnahmen, u.a. über die Erhöhung der finanziellen Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz;
  • Umsetzung priorisierter Maßnahmen der nationalen Wasserstrategie und Weiterentwicklung mit den Ländern vor dem Hintergrund des Klimawandels;
  • Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Entwicklung von klimaresilienten und artenreichen Mischwäldern sowie die Unterstützung der Waldbesitzer.

Trotz immer stärker bemerkbarer klimatischer Folgen bleibt die Anpassung damit weit hinter den Vorgaben zum Klimaschutz. Fokus liegt auf natürliche Maßnahmen. Die Rolle einer klima-resilienten Wirtschaft wird nicht beleuchtet.

Große Ziele ohne klaren Plan

Bei aller Kritik an mangelnden Vorgaben für Klima- und Umweltthemen bietet der Koalitionsvertrag unterschiedlichste Ansatzpunkte zur Dekarbonisierung. Wie vorherige Koalitionsverträge stellt er eine Auflistung unterschiedlichster Vorgaben dar. Die fehlende Kohärenz ist als Resultat politischer Kompromisse zu deuten.

Ob und wie diese umsetzbar sind, wird in der Legislaturperiode entschieden. Vorerst stehen alle Inhalte unter Finanzierungsvorbehalt. Mit zusätzlichen EUR 100 Mrd. im Klima- und Transformationsfond und Einnahmen aus dem Emissionshandel (in 2023 und 2024 über EUR 18 Mrd.) sollte es am Geld nicht scheitern.

Eine große Lücke klafft jedoch zwischen den langfristigen Klimazielen und den teilweise kleinteiligen Vorgaben. Die Koalition bekennt sich klar zur Klimaneutralität in 2045. Jedoch bleibt unklar, wie dieses sehr ambitionierte Ziel erreicht werden soll.

Dies macht sich vor allem in den sektoralen Vorgaben bemerkbar, v.a. für Gebäude und Verkehr. Lt. jüngsten Projektionsdaten sind deren CO2 Einsparungen schon jetzt ungenügend. Noch können diese Ziel-Verfehlungen durch Fortschritte in Energie und Industrie kompensiert werden. Jedoch droht langfristig eine deutliche Zielverfehlung.

Auch fehlen neue klimapolitische Ansätze. Jedoch werden innovative Initiativen der Vorgängerregierung (z.B. zu Klimaschutzverträgen und CCS/U) fortgeführt. So ergibt sich zumindest eine Kontinuität in vielen klimapolitischen Richtungen.

Insgesamt suggeriert der Koalitionsvertrag, dass Dekarbonisierung, Wettbewerbsfähigkeit und soziale Ausgewogenheit miteinander ohne Abstriche vereinbar sind. Es wird nicht klar benannt, dass es hier auch Zielkonflikte geben wird.

Dass dabei der Klima-Bereich aus dem Wirtschaftsministerium wieder zurück ins Umweltministerium wandert, hilft nicht unbedingt beim Zusammenbringen dieser Zielsetzungen. Es droht das alte Ausspielen von wirtschafts- und  klimapolitischen Zielen in der neuen Koalition.


Quellen und weitere Informationen:


Foto von Maheshkumar Painam auf Unsplash

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