BlogCO2 Bepreisung – Allgemein, CO2 Kompensation (VCM)

Kein Konsens zu Kohlenstoff-Märkten auf COP28

Geschrieben von

Ulf Narloch

Veröffentlicht am

20. Dezember 2023

Auf der COP28 in Dubai wurden keine Fortschritte zu marktbasierten Mechanismen zur Erreichung der globalen Klimaziele erzielt. Entscheidungen über die Regeln für CO2-Gutschriften gemäß Artikel 6 des Pariser Abkommens wurden vertagt. Damit bleibt auch die Zukunft der freiwilligen Kohlenstoff-Märkte unklar.

Das Potenzial der Kohlenstoff-Märkte

Die 28th Konferenz der Vertragsparteien (COP28) lieferte die erste globale Bestandsaufnahme zum Fortschritt der Staaten bei der Erreichung ihrer Klimaziele. Diese werden von jedem Land in den nationalen Beiträgen zu den globalen Klimazielen, den Nationally Determined Contributions (NDCs), festgelegt.

Diese nationalen Beiträge reichen immer noch nicht aus, um die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, wie der Synthesebericht des Intergovernmental Panel on Climate Change zeigt. Dementsprechend fordern der UNEP Gap Report und die Net Zero Roadmap der IEA ehrgeizigere Maßnahmen zur Minderung von Emissionen.

Für einen Netto-Null-Pfad sind umfangreiche Investitionen von bis zu 45 Mrd. USD pro Jahr im Jahr 2030 in Energiesysteme und CO2-arme Infrastruktur erforderlich. Vor allem in Entwicklungsländern, die in der Vergangenheit am wenigsten zur Erderwärmung beigetragen haben, fehlen die dafür erforderlichen Mittel.

Internationale Kohlenstoff-Märkte werden seit langem als eine Lösung angesehen. Auf der Angebotsseite generieren Länder durch Projekte zur Emissionsreduzierung oder -entnahmen CO2-Gutschriften. Auf der Nachfrageseite kaufen andere Länder oder Unternehmen solche CO2-Gutschriften, um sie auf ihre Klimaziele anzurechnen.

Während einige Länder bereits regulierte Kohlenstoff-Märkte auf nationaler oder subnationaler Ebene eingerichtet haben, ist der internationale Austausch solcher CO2-Gutschriften derzeit über die Voluntary Carbon Markets (VCM) nicht reguliert.

Der Austausch dieser CO2-Gutschriften erfolgt auf freiwilliger Basis. Diese werden durch eine Vielzahl von nichtstaatlichen Systemen mit eigenen Methoden und Standards generiert.

In letzter Zeit sind die Bedenken hinsichtlich der Umweltintegrität und des Mangels an soliden Methoden in diesen Standards lauter geworden. Ein sich entwickelnder UN-Rahmen für marktbasierte Mechanismen soll solche Bedenken ausräumen.

129 Länder haben bereits solche marktbasierten Mechanismen in ihren NDCs berücksichtigt. Und auch der jüngste Statusbericht der Weltbank stellt eine zunehmende Dynamik fest.  Doch der diesjährige COP konnte die benötigten Leitlinien für die Umsetzung internationaler Kohlenstoff-Märkte nicht hervorbringen.

Marktbasierte Mechanismen gemäß Artikel 6

Artikel 6 ist ein Element des Pariser Abkommens der COP21. Er legt den Grundstein für marktbasierte Mechanismen, indem er in Artikel 6.2 und 6.4 das Recht der Staaten festlegt, handelbare Emissionszertifikate zu genehmigen.

Diese Artikel haben ihren Ursprung im Kyoto-Protokoll von 1997. Darin erlaubten die Gemeinsame Projektdurchführung (Joint Implementation, JI) und der Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung (Clean Development Mechanism, CDM) Ländern und Privatunternehmen den internationalen Handel mit CO2-Gutschriften.

Nach jahrelangen Verhandlungen wurde auf der COP26 in Glasgow Regeln zur Umsetzung von Artikel 6 vereinbart. Verhandlungen auf der COP28 sollten nun konkrete Bestimmungen zur Umsetzung dieses Regelwerks festlegen. Jedoch konnte kein Konsens erzielt werden.

International übertragene Minderungsergebnisse

Artikel 6.2 erlaubt eine freiwillige Zusammenarbeit zwischen Ländern, um ihre NDCs über Internationally Transferred Mitigation Outcomes  (ITMOs) zu erreichen. Laut dem NDC-Synthesebericht planen 89 Länder bereits, diesen Mechanismus zu nutzen.

ITMOs werden zwischen zwei Ländern gehandelt:

  1. Ein Gastland genehmigt eine generierte CO2-Gutschrift als ITMO, wodurch dieses Land sie nicht mehr für seine eigenen NDCs anrechnen kann
  2. Ein anderes Land kauft diese Gutschrift, um das Minderungsergebnis in seinem NDC geltend zu machen
  3. Um Doppelzählungen in beiden NDCs zu vermeiden, wird eine entsprechende Anpassung vorgenommen

Damit dieser Mechanismus nach Artikel 6.2 funktionieren kann, müssen das Genehmigungsverfahren, der Aufbau eines internationalen Registers und die Berichtsinformationen und -formate noch ausgearbeitet werden.

Textentwürfe zu solchen Vereinbarungen wurden auf der COP28 jedoch nicht angenommen, u.a. da es unterschiedliche Auffassungen über die Rolle der UN in diesem Mechanismus gibt.

Während die internationalen Verhandlungen nun vertagt wurden, dürften bilaterale Anstrengungen weitergehen. Schweden, Singapur und die Vereinigten Arabischen Emirate bemühen sich z.B. aktiv um erste Abkommen. Die Schweiz ist das erste Land, das offiziell seine kooperativen Ansätze gemäß Artikel 6.2 dargelegt hat.

International Mechanismen zu CO2-Gutschriften

Artikel 6.4 schafft einen internationalen Rahmen für die Generierung von hochwertigen CO2-Gutschriften für Emissionsreduktionen (A6.4ER). Der NDC-Synthesebericht zeigt, dass 59 Länder solche Mechanismen nutzen wollen.

Solche CO2-Gutschriften können zwischen Unternehmen gehandelt werden:

  1. Ein Projektentwickler registriert ein Projekt zur Akkreditierung von A6.4ER-Gutschriften bei einer UN-geführten Aufsichtsstelle
  2. Diese CO2-Gutschriften werden von Ländern oder Unternehmen gekauft; diese können die Gutschriften nur dann auf ihre Klimaziele anrechnen, wenn das Gastland dies genehmigt
  3. Durch eine entsprechende Anpassung wird die CO2-Gutschrift nicht auf das NDC des Gastlandes angerechnet, wenn eine solche Genehmigung erteilt wird.

Wenige Tage vor der COP28 wurden Empfehlungen zu den wichtigsten Fragen, die im Rahmen von Artikel 6.4 zu lösen sind, veröffentlicht, darunter die Methoden zur Anrechnung von CO2-Gutschriften und die anzurechnenden Maßnahmen, einschließlich CO2-Entnahmen.

Trotz dieses Fortschritts konnte der Textentwurf zu Artikel 6.4 auf der COP28 nicht verabschiedet werden.  Die Uneinigkeit über die Anerkennung von Aktivitäten aus Land- und Forstwirtschaft spiegelt die anhaltende Debatte über die Rolle von Emissionsvermeidungen versus Emissionsentnahmen wider.

Nachfrage nach CO2-Gutschriften

Trotz zunehmender Bedenken und begrenztem Fortschritt bei diesen angebotsseitigen Fragen entwickelt sich die Nachfrage nach Emissionszertifikaten weiterhin aus drei Richtungen.

Staatliche Kohlenstoff-Märkte

CO2-Gutschriften können auf die Emissionsrechte in Emissionshandelssystemen (ETS) angerechnet werden. Derzeit sind weltweit 43 nationale oder subnationale ETS in Umsetzung oder Planung.

Die Verknüpfung von Emissionshandelssystemen verschiedener Länder kann eine Form der Übertragung von Minderungsergebnissen gemäß Artikel 6.2 sein, bleibt aber eine technisch komplex.

In der Vergangenheit waren im Rahmen der ETS der EU und Neuseelands internationale CO2-Gutschriften aus dem CDM zulässig. Diese wurden jedoch eingestellt, u.a. um die Menge der Zertifikate zu begrenzen.

Einige ETS erlauben jedoch eine größere Flexibilität. Südkorea kennt  CO2-Gutschriften an, die im Land oder von einem koreanischen Unternehmen generiert wurden.  Singapur hat vor kurzem eine Liste zulässiger internationaler CO2-Gutschriften für die Einhaltung inländischer Vorschriften veröffentlicht.

CORSIA

CO2-Gutschriften können auch dazu verwendet werden, um die Klima-Wirkung in Sektoren mit schwer vermeidbaren Emissionen zu kompensieren, für die keine nationalen Ziele gelten, wie z.B. der Luft- und Schifffahrt.

Im Jahr 2016 führte die Internationale Zivilluftfahrtbehörde (ICAO) das Carbon Offset and Reduction Scheme for International Aviation (CORSIA) ein, das es den Fluggesellschaften ermöglicht, CO2-Gutschriften zu erwerben, um ihre Emissionen auszugleichen.

Nach einer Pilotphase wird die Kompensation ab 2027 für alle internationalen Flüge zwischen bestimmten Länder-Paaren verpflichtend sein.  Derzeit haben 115 Länder ihre Absicht bekundet, sich an CORSIA zu beteiligen.

Das Technische Beratungsgremium der ICAO hat eine Liste an in Frage kommenden CO2-Gutschriften festgelegt, die unterschiedliche Standards beinhalten. Diese sollen für die Pilotphase bis 2027 gelten.

VCM

CO2-Gutschriften werden von Unternehmen zunehmend nachgefragt, um ihre Klimaverpflichtungen zu erfüllen, wie z.B. im Rahmen der Science-based Targets Initiative. Wo die Unternehmensemissionen nicht der nationalen CO2-Bepreisung unterliegen, sind diese Käufe freiwillig.

Gegenwärtig bauen freiwillige Märkte auf eine Vielzahl von nichtstaatlichen Systemen für CO2-Gutschriften nutzen, wie z. B. den Verified Carbon Standard oder den Gold Standard. Doch mangelnde Transparenz bei den Methoden sowie Greenwashing-Bedenken haben das Vertrauen in diese Märkte erschüttert.

Laut dem jüngsten Bericht zum Stand des VCM von Ecosystem Marketplace haben sich die Gesamttransaktionen im Jahr 2022 gegenüber ihrem Höchststand im Jahr 2021 auf 250 MtCO2e halbiert. Für 2023 wird ein weiterer Rückgang erwartet.

Dennoch bleiben die Preise auf einem höheren Niveau als 2021, was auf eine Nachfrage nach CO2-Gutschriftejn mit hoher Qualität und Integrität hindeutet.

Der Weg der internationalen Kohlenstoff-Märkte ist unklar

Die Entscheidungen zur Umsetzung von Artikel 6 wurden nun auf die COP29 in Baku, Aserbaidschan, verschoben. Eine Fortsetzung der bilateralen Bemühungen zu ITMOs ist zu erwarten. Jedoch ist der Handel mit A6.4ER-Gutschriften unwahrscheinlich, bevor das internationale System dafür eingerichtet ist.

Von Privatunternehmen erworbene CO2-Gutschriften müssen jedoch nicht über Artikel 6-Mechanismen abgewickelt werden. Sie können immer noch auf nicht-staatliche Systeme im VCM aufbauen.

Es bleibt jedoch abzuwarten, ob sich die Unternehmen weiterhin auf solche unregulierten Standards verlassen, wenn über die UN regulierte CO2-Gutschriften verfügbar werden. Folglich ist die Zukunft des VCM und seine Interaktion mit marktbasierten Mechanismen gemäß Artikel 6 ungewiss.

Inzwischen wächst jedoch die Nachfrage nach hochwertigen CO2-Gutschriften von Unternehmen, die sicherstellen wollen, dass diese wirklich den versprochenen Klimanutzen bringen.

Es gibt mehrere Initiativen, die auf dieses Ziel hinarbeiten, wie zum Beispiel:

  1. Integrity Council for the Voluntary Carbon Market (ICVCM), der die wichtigsten Grundsätze für das Angebot von CO2-Gutschriften festlegt
  2. Voluntary Carbon Markets Integrity Initiative (VCMI) führt nachfrageseitige Regeln für Unternehmen ein, die CO2-Gutschriften nutzen
  3. Internationale Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden (IOSCO) veröffentlicht bewährte Praktiken für Regulierungsbehörden und Behörden für ein ordnungsgemäßes Funktionieren des VCM

All diese Initiativen verdeutlichen, die Bedeutung von standardisierten Methoden und Vertrauen für das Funktionieren von VCM und marktbasierten Mechanismen gemäß Artikel 6. Ohne diese werden die internationalen Kohlenstoff-Märkte kaum ihr volles Potenzial entfalten.


Quellen und weiterführende Informationen:


Foto von Boudewijn Huysmans auf Unsplash