Um ab 2050 mehr CO2 der Atmosphäre zu entnehmen als auszustoßen, plant die Bundesregierung eine Langfriststrategie für Negative Emissionen. Diese ergänzt die Strategie zum Carbon Management. Die jetzt veröffentlichten Eckpunkte sehen u.a. die Festlegung von Zielwerten für technische Entnahmen in 2030, 2040 und 2045 vor.
Eckpunkte für negative Emissionen
Im Schatten der Ankündigungen zum CO2 Management hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) nun auch Eckpunkte zur Langfriststrategie für Negative Emissionen (LNe) veröffentlicht. Zusammen sollen diese zu einer klimaneutralen und wettbewerbsfähigen Industrie beitragen.
In den Eckpunkten für die Carbon Management Strategie wird der Einsatz von Carbon Capture and Storage (CCS) und Carbon Capture and Utilization (CCU) bestärkt. Die Schwesterstrategie dazu zielt auf negative Emissionen über Carbon Dioxide Removals (CDRs).
Solche CO2 Entnahmen werden als notwendig gesehen, um die im Paris Abkommen vereinbarten Klimaziele zu erreichen. Sowohl das deutsche Klimaschutzgesetz (KSG) als auch das europäische Klimagesetz (ECL) schreiben ab 2050 negative Emissionen vor.
Auf Europäischer Ebene wurde dafür bereits ein Vorschlag für das 2040 Klimaziel vorgelegt. Darin werden jährliche Entnahmen von 400 Mt CO2e anvisiert.
Diese sollen über natürliche und technischen Entnahmen erreicht werden. Mit der überarbeiteten LULUCF-Verordnung sollen bereits bis 2030 jährlich 310 Mt CO2 über natürliche Senken aus der Atmosphäre entzogen werden. Technische Entnahmen sollen über die Strategie zum industriellen CO2 Management gestärkt werden.
CO2 der Atmosphäre entnehmen
Deutschland möchte mit einer Langfriststrategie für negative Emissionen nun nachlegen. Darin werden CO2 Entnahmen getrennt von Ansätzen zur Abscheidung, Nutzung und Speicherung von CO2 betrachtet. Letztere verhindern CO2 Emissionen, entziehen aber kein zusätzliches CO2 aus der Atmosphäre.
Zielgrößen für negative Emissionen
Die deutschen Emissionen sollen bis 2030 um 65% gegenüber 1990 auf 438 Mt CO2 sinken. Bis 2045 soll Klimaneutralität erreicht sein. Ab 2050 soll dann mehr CO2 der Atmosphäre entzogen als ausgestoßen werden.
Im KSG Absatz 3a wurden dafür bereits Ziele für Land und Forst vorgeschrieben. Auch wenn der Landsektor aktuell eine ausgeglichene Emissions-Bilanz hat, sollen natürliche Entnahmen auf 25 Mt CO2e in 2030 bzw. 40 Mt CO2e in 2045 wachsen.
Ergänzend soll die Langfriststrategie:
- Zielwerte für technische Entnahmen für die Jahre 2035, 2040 und 2045 festlegen
- Eine Zielgröße für Netto-Negativ Emissionen in 2060 definieren
Diese Ziele sollen durch die bedarfsgerechte Entwicklung und Skalierung der Technologien erfolgen, die CO2 wirksam und wirtschaftlich der Atmosphäre entziehen können.
Technologien für negative Emissionen
Die Langfriststrategie verfolgt einen technologieoffenen Ansatz. In den Eckpunkten werden genannt:
- Wald und Erstaufforstung: Deutschlands Wälder absorbieren bereits 43 Mt CO2 pro Jahr.
- Moore: Wiedervernässung von Mooren kann Emissionen mindern.
- Bodenmanagement: Eine verbesserte Bodenbearbeitung erhöht die Kohlenstoffbindung.
- Marine Biomasse: Photosynthese in Meeren bindet CO2.
- Biomasseerzeugung: Pflanzen binden CO2, welches stofflich oder energetisch genutzt werden kann.
- Stoffliche Biomassenutzung: Langfristige Nutzung, z.B. Holz im Bau, verzögert die Freisetzung des CO2.
- Biokohle: Pflanzlicher Kohlenstoff wird durch Verkohlung langfristig gebunden.
- BECCS: CO2 aus der Nutzung von Bioenergie wird abgeschieden und langfristig eingelagert.
- WACCS: CO2 aus der thermischen Abfallbehandlung wird zur Einlagerung abgeschieden.
- DACCS: CO2 wird direkt aus der Luft abgeschieden und gespeichert.
- CCU: CO2 als Rohstoff wird langfristig in Produkten gebunden.
- Beschleunigte Verwitterung: CO2 wird in mineralischer Substanz gebunden und so der Atmosphäre entzogen.
Nicht alle dieser Technologien resultieren an sich in negativen Emissionen. Einige stellen Zwischenschritte dorthin dar.
Wirtschaftliche Anreize für negative Emissionen
In der Langfriststrategie sollen auch Modelle geprüft werden, um die notwendigen wirtschaftlichen Anreize für den Ausbau dieser Technologien zu bieten, wie u.a.:
- Integration in den EU-Emissionshandel (ETS) über Anpassung der Emissionshandelsrichtlinie
- Staatlichen Förderinstrumente, die solche Technologien subventionieren
Langfristig soll ein Marktrahmen entwickelt werden, der auch ohne diese Instrumente negative Emissionen sichern kann.
Steuerungsrahmen für negative Emissionen
Die Eckpunkte unterstreichen die Notwendigkeit eines kohärenten Rechts- und Steuerungsrahmens, um diese Technologien zielgerichtet einzusetzen. Dazu sollen:
- Vorschläge für Regelungen und rechtliche Änderungsbedarfe erarbeitet werden
- Monitoring und Zertifizierung im Einklang mit dem entstehenden Carbon Removal Certification Framework der EU entwickelt werden
- Sektorale Bilanzierungsmethoden bzgl. der energetischen und stofflichen Nutzung von Holz sowie CO2 Kreisläufen überprüfen
Mit diesem Steuerungsrahmen soll die Langfriststrategie alle zwei Jahre evaluiert und aktualisiert werden.
Koordination strategischer Vorhaben gefragt
Die Entwicklung der Langfriststrategie wird nun unter Federführung des BMWK vorangetrieben. BMF, BMUV, BMEL und andere relevanten Ministerien arbeiten zu. Auch zivilgesellschaftliche Akteure, Wirtschaft und Wissenschaft werden in einem Dialogprozess eingebunden.
Auch die Einbettung in laufende Prozesse ist geplant. Auf nationaler Ebene ist Rückkoppelung u.a. vorgesehen mit:
- Strategie zum Carbon Management (CSM) zur Abscheidung, Nutzung und Speicherung von CO2
- Systementwicklungsstrategie (SES) für eine sektorübergreifend eine robuste Transformation des Energiesystems
- Nationale Biomassestrategie (NABIS) für eine nachhaltige, effiziente und klimaschutzwirksame Biomasseerzeugung und -nutzung
- Nationale Bioökonomiestrategie (NBÖS) für die hochwertige und nachhaltige Nutzung biogener Ressourcen und biologischen Wissens
- Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie (DNS) für eine wirtschaftlich leistungsfähige, sozial ausgewogene und ökologisch verträgliche Entwicklung im Sinne der SDGs
All diese Prozesse sollen in 2024 abgeschlossen sein. So liegt die erste Herausforderung für negative Emissionen in Deutschland in der Koordination verschiedenster strategischer Vorhaben, um einen konsistenten Handlungsrahmen ohne Zielkonflikte zu schaffen.
Quellen und weitere Informationen:
- BMWK: Baustein für eine klimaneutrale und wettbewerbsfähige Industrie
- BMWK: Eckpunkte Langfriststrategie Negative Emissionen
- BMWK: Eckpunkte für eine Carbon Management Strategie
- Europäische Kommission: Strategie für industrielles CO2 Management
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